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BARF & Frischfleischernährung
BARF, kurz für biologisch artgerechtes Rohfutter, ist eine Fütterungsmethode, die die Zusammensetzung ganzer Beutetiere nachahmt. Für Igel und Tenreks hat diese Methode bei erfahrenen Haltern an Bedeutung gewonnen. Während herkömmliche Ernährungsweisen auf Katzenfutter oder Insektenfutterpellets mit Insektenzusatz basieren, bietet BARF ein natürlicheres Nährstoffprofil, das der natürlichen Ernährung von Igeln ähnelt.
Wichtig ist, dass BARF nicht nur ein kurzfristiger Trend ist. Viele Tierhalter berichten von langfristigen Vorteilen, darunter eine verbesserte Fell- und Wirbelsäulenqualität, ein ausgeglichenes Gewicht und sogar Unterstützung bei Stoffwechselerkrankungen wie Typ-2-Diabetes. Allerdings ist diese Methode nicht risikofrei; Präzision und Verantwortungsbewusstsein sind daher unerlässlich.
Biologischer Hintergrund
Wilde Igel ernähren sich hauptsächlich von Wirbellosen (Heuschrecken, Käfern, Larven, Motten, Bienen, Schnecken, Grillen) und in geringerem Maße von kleinen Wirbeltieren wie Mäusen oder Vögeln sowie von Eiern und Aas. Ihre Zähne sind wie die von Fleischfressern beschaffen und spiegeln damit ihre Anpassung an tierische Nahrung wider.
Im Gegensatz zu Allesfressern fehlt Igeln der Dünndarm und damit die Enzyme, die zum Abbau von Pflanzenfasern notwendig sind. Daher können sie pflanzliches Material nicht effizient verdauen oder Nährstoffe daraus aufnehmen. Sie benötigen die gesamte Nährstoffzusammensetzung ihrer Beute in einer einzigen Mahlzeit, anstatt die Nährstoffe wie ein Hund auf mehrere Mahlzeiten zu verteilen. Ihr Fressverhalten ähnelt eher dem einer Katze als dem eines Hundes: Sie verschlingen die gesamte Beute sofort.
Aus diesem Grund werden BARF-Rezepturen häufig an die Ernährung von Katzen angelehnt, jedoch mit zusätzlichen Insektenkomponenten angereichert, um dem vielfältigen Beutespektrum des Igels Rechnung zu tragen.
Zusammensetzung einer BARF-Mischung
Eine ausgewogene BARF-Mischung folgt typischerweise dieser Richtlinie:
- 85 % Muskelfleisch (davon ca. 100 g Herz pro Kilogramm und 8–10 % Fettgehalt)
- 5 % Knochen (z. B. Hühnerhälse, fein gemahlen)
- 5 % Ballaststoffe (z. B. verdauter Mageninhalt oder Ersatzstoffe wie Blattgemüse)
- 5 % der Organe (idealerweise alle: Leber, Niere, Milz, Lunge)
Jedem Kilogramm Fleischmischung werden folgende Zusatzstoffe beigemischt:
- 50 ml Blut (als natürliche Natrium- und Eisenquelle)
- 200 µg Jod (aus Algen oder Fisch)
- 2 g Taurin
- 1000 mg EPA/DHA (Fischöl, z. B. Lachsöl)
- 50 mg Vitamin E
Warum Nahrungsergänzungsmittel unerlässlich sind
Blut
Liefert Natrium und Eisen. Falls Blut nicht verfügbar ist, kann es durch eine Prise Salz und zusätzliche Milz (z. B. 20 g pro Kilogramm anstelle von Lunge) ersetzt werden.
Jod (Algen oder Fisch)
Kleine Beutetiere enthalten natürlicherweise Jod. Ohne zusätzliche Gabe besteht für Igel die Gefahr einer Schilddrüsenunterfunktion; zu viel Jod kann eine Schilddrüsenüberfunktion verursachen. Eine genaue Dosierung ist daher entscheidend.
Taurin
Taurin ist lebenswichtig für Sehvermögen, Fruchtbarkeit, die Entwicklung des Fötus sowie die Gesundheit von Herz und Nervensystem. Mäuse weisen einen hohen Taurinspiegel auf; daher können entweder 50 % des Muskelfleisches durch Herz ersetzt oder reines Taurin zugesetzt werden (2 g pro Kilogramm, um eine Gesamtmenge von ca. 2000–2500 mg/kg zu erreichen). Eine Überdosierung von Taurin ist nicht möglich, da überschüssiges Taurin ausgeschieden wird.
Omega-3-Fettsäuren
Fleisch aus kommerzieller Tierhaltung ist reich an Omega-6-Fettsäuren. Um das Gleichgewicht wiederherzustellen, werden Omega-3-Fettsäuren (EPA/DHA) zugesetzt. Pflanzliche Öle (wie Leinöl) sind für Igel ungeeignet, da sie Alpha-Linolensäure nicht in EPA/DHA umwandeln können. Fischölkapseln (z. B. Lachsöl) werden empfohlen. Das angestrebte Verhältnis beträgt 5:1 (Omega-6:Omega-3).
Vitamin E
Wird neben Fischöl als Antioxidans benötigt. Igel können Vitamin E nicht direkt aus Pflanzen aufnehmen; sie sind auf die Verdauung ihrer Beute angewiesen. Eine Supplementierung ist daher notwendig, muss aber kontrolliert werden: Vitamin E ist fettlöslich und kann sich in der Leber anreichern.
Vitamin D
Vitamin D wird auf natürliche Weise in der Leber gebildet. Eine zusätzliche Einnahme ist nicht erforderlich. Vorsicht: Fettreiche Fische wie Lachs, Hering oder Aal enthalten sehr viel Vitamin D; vermeiden Sie daher eine übermäßige Kombination mit Leber, um eine Überdosierung zu verhindern.
Biotin (Vitamin H)
Biotin (Vitamin H) unterstützt Haut, Stacheln, Krallen und die Regeneration. Beste Quelle: rohes Eigelb. Wichtig: Eiweiß immer kochen, da rohes Eiweiß Avidin enthält, welches die Biotinaufnahme hemmt.
Beispielrezepte
Basismischung für ausgewachsene Kinder (pro Kilo)
- 700 g Hähnchenbrust (8 % Fett)
- 100 g Putenherz
- 100 g Hühnerhälse (50 g Knochen, 50 g Fleisch)
- 20 g Hühnerleber
- 10 g Kaninchenniere
- 10 g Kaninchenlunge
- 10 g Kaninchenmilz
- 50 g Feldsalat (oder ähnliches Blattgemüse für Ballaststoffe)
- 50 ml Rinderblut
Nahrungsergänzungsmittel:
- 3 Lachsölkapseln (~1000 mg EPA/DHA)
- 2 g Taurin
- 0,5 g Algenpulver
Jungtiermischung
Gleiches Rezept wie für ausgewachsene Tiere, jedoch mit 140 g Hühnerhälsen (70 g Knochen + 70 g Fleisch) und 1 Teelöffel fein gemahlener Eierschale für zusätzliches Kalzium.
Für trockene Haut
- 700 g Rinderhackfleisch (10 % Fett)
- 100 g Kalbsherz
- 100 g Kaninchenkadaver
- 20 g Rinderleber
- 10 g Kalbfleischniere
- 10 g Kalbslunge
- 10 g Kalbsmilz
- 50 g Gurke
- 50 ml Blut
Nahrungsergänzungsmittel:
- 3 Lachsölkapseln
- 2 g Taurin
- 0,5 g Seetang
- 1 Esslöffel Bierhefe
Wildbasierte Variation (ohne kommerzielle Zusätze)
- 200 g Wildfleisch (8 % Fett)
- 100 g Seelachs
- 500 g Hühnerherzen
- 100 g Hühnerhälse
- 20 g Hirschleber
- 10 g Hirschmilz
- 10 g Hirschniere
- 10 g Hirschlunge
- 50 ml Blut
- Lediglich die Einnahme von Vitamin-E-Präparaten ist noch unerlässlich.
Futtermengen
15–20 g BARF-Mix pro Tag (abhängig von Aktivität und Größe)
Immer mit Insekten und Schnecken kombinieren:
Beispiel: 20 g Fleischmischung + 1 Heuschrecke, 1 Schabe, 3 Grillen, 2 Schnecken
Leckereien:
- Leckerbissen: Rosenkäferlarven, Wachsmottenlarven oder Mehlwürmer (wegen des Fettgehalts nur in Maßen verzehren)
- Einmal wöchentlich: rohes Eigelb (Biotin)
- Gelegentlich: Babymäuse oder Eintagsküken (natürliche Beutetieranreicherung)
Vorteile von BARF für Igel (und Tenreks)
- Langfristige gesundheitliche Verbesserungen: besseres Fell, stärkere Wirbelsäule, reguliertes Körpergewicht.
- Unterstützt den Stoffwechsel; positive Ergebnisse wurden sogar bei Igeln mit Typ-2-Diabetes beobachtet.
- Höhere Nährstoffdichte und Bioverfügbarkeit im Vergleich zu Trockenfutter.
- Natürlicheres Fressverhalten; Kauen, Zerreißen und Abwechslung.
Risiken und Verantwortlichkeiten
BARF ist nichts für Anfänger. Es erfordert Präzision und sorgfältige Überwachung.
- Nährstoffungleichgewicht: Eine Über- oder Unterversorgung mit Nahrungsergänzungsmitteln (insbesondere Jod, Vitamin E oder Kalzium) kann langfristig schädlich sein.
- Krankheitserregerrisiko: Rohes Fleisch kann Bakterien und Parasiten enthalten. Sichere Beschaffung, Einfrieren und Hygiene sind unerlässlich.
- Keine alleinige Nahrungsquelle: Insekten müssen ein wichtiger Bestandteil bleiben, da BARF ihre Rolle bei der Verdauung (insbesondere Chitin) nicht ersetzen kann.
- Erforderliche Überwachung: Gewicht, Stuhlkonsistenz, Hautzustand und (wenn möglich) Blutwerte sollten regelmäßig kontrolliert werden.
Warum Fleisch für den menschlichen Verzehr ungeeignet ist
Auf den ersten Blick mag es praktisch erscheinen, Supermarktfleisch an Igel oder Tenreks zu verfüttern. Fleisch, das für den menschlichen Verzehr bestimmt ist, eignet sich jedoch nicht als Hauptnahrungsmittel für Insektenfresser. Dafür gibt es mehrere Gründe:
- Falsches Nährstoffprofil
Fleischstücke in Lebensmittelqualität werden für Menschen und nicht für Tiere ausgewählt. Sie sind oft zu mager (Hühnerbrust) oder zu fett (Haut, Abschnitte).
Muskelfleisch allein weist ein starkes Kalzium-Phosphor-Ungleichgewicht auf, viel zu viel Phosphor, fast kein Kalzium, was im Laufe der Zeit zu einer metabolischen Knochenerkrankung führt, wenn es nicht korrigiert wird.
Essenzielle, aus Insekten stammende Nährstoffe wie Chitin fehlen vollständig.
- Zusatzstoffe und Verarbeitung
Viele Fleischsorten, die für den menschlichen Verzehr verkauft werden, werden mit Salzlösungen, Marinaden oder Konservierungsmitteln behandelt, die für Menschen harmlos, für kleine Säugetiere jedoch schädlich sind.
Auch „einfaches“ Fleisch kann so verarbeitet worden sein, dass sich sein Nährstoffgehalt verändert.
- Krankheitserreger- und Lagerungsrisiko
Die Standards für Lebensmittelsicherheit beim Menschen gehen davon aus, dass Fleisch vor dem Verzehr gekocht wird. Bei Rohfütterung bedeutet dies, dass Bakterien wie Salmonellen, E. coli oder Parasiten weiterhin eine reale Gefahr darstellen.
Durch Einfrieren werden diese Risiken zwar verringert, aber nicht beseitigt.
- Evolutionäre Fehlanpassung
Igel und Tenreks haben sich so entwickelt, dass sie Insekten, kleine Wirbeltiere und Aas fressen. Sie sind nicht darauf ausgelegt, große Mengen an Geflügel oder Rindfleisch aus Massentierhaltung zu verarbeiten. Daher ist die Fütterung mit ausschließlich Supermarktfleisch nicht „natürlich“, selbst wenn es roh ist.
Aus diesen Gründen sollte Fleisch, das für den menschlichen Verzehr bestimmt ist, niemals als alleinige oder primäre Nahrung verwendet werden. Es kann zwar in einer sorgfältig abgestimmten BARF-Rezeptur zusammen mit Insekten, Innereien, Knochen und Ergänzungsmitteln verwendet werden, jedoch nur, wenn das gesamte Nährstoffprofil an die Bedürfnisse des Tieres angepasst ist.
Zusammenfassung
BARF und Frischfleischfütterung können eine wertvolle Option für Igel (und in manchen Fällen auch für Tenreks) sein, jedoch nur, wenn sie von erfahrenen Haltern mit Kenntnissen in der Nahrungsergänzung und Hygiene durchgeführt werden. Richtig angewendet, bietet BARF langfristige Vorteile, unterstützt die natürliche Physiologie und kann sogar bei der Behandlung chronischer Erkrankungen wie Diabetes helfen. Falsch angewendet, birgt es ernsthafte Risiken. Daher sollte BARF niemals leichtfertig gewählt werden, sondern stets eine sorgfältig durchdachte und verantwortungsvoll umgesetzte Methode sein.
